Vermessung und Bewertung der Augengefäße

„Jüngst gab es viele neue Entwicklungen, einerseits in der Messtechnik selbst und andererseits kennen wir heute viel mehr Parameter des Gefäßsystems, die auch konkreten Erkrankungsbildern zugeordnet werden können“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Sascha Klee. „Heute können wir Gefäße am Augenhintergrund vermessen und das Wissen über die Bedeutung dieser Messwerte steigt. Die Idee des Sonderhefts war es, den aktuellen Stand der Forschung aufzuzeigen und damit mehr und tiefer gehende Analysen anzuregen. Letztendlich möchten wir aktuelle Ergebnisse schnellstmöglich in die Klinik bringen und dort etablieren, um Patient:innen bestmöglich zu versorgen“ Dieser Ansatz entspricht einem wesentlichen Forschungsschwerpunkt der KL. An ihren Universitätskliniken St. Pölten, Krems und Tulln betreibt die KL translationale, klinische Forschung in unterschiedlichsten Bereichen der Medizin und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur bestmöglichen Patient:innenversorgung in Niederösterreich als auch national und international.

Funktionelle Bildgebung erlaubt neue Sicht auf das Gefäßsystem

„Wir haben zwei Arbeiten ausgewählt, die sich mit modernen Gerätetechnologien beschäftigen. Mit der Optischen Kohärenz-Tomographie-Angiographie kann der Blutfluss in den Augengefäßen gemessen werden. Ein neu entwickeltes Mehrfarben-Video-Ophthalmoskop erlaubt die Messung der Blutabsorption. Diese ausgereifte, technische Weiterentwicklung ist Anstoß für eine spannende und komplexe Diskussion über die bisher angenommenen Ursachen für die Änderung der Blutabsorption mit sich“, erläutert Sascha Klee. Er ist einer von vier weiteren Editor:innen des Sonderhefts. Die Zusammenarbeit der Editor:innen stärkt das Netzwerk des Fachbereichs mit Forschungseinrichtungen in Illmenau und Aachen in Deutschland, in Huddersfield in England und in Wien. 

Erkrankungen des Auges und die Rolle des Blutflusses

Ein review des Sonderhefts beschäftigt sich mit den verschiedenen verfügbaren Methoden zur Bewertung des Blutflusses im Auge und über Augenkrankheiten, die mit einer beeinträchtigten Augendurchblutung in Zusammenhang stehen. Ergänzt wird dieser Part durch eine Studie zur Identifikation von Faktoren, die den Blutfluss im Auge regulieren. Dabei wird mit einer vorübergehenden Hyperoxie, also einem Überangebot an Sauerstoff, gearbeitet. Die Auswahl der entsprechenden Beiträge machen sich die Herausgeber:innen nicht leicht. Nach ausführlicher Recherche entscheiden sie sich für zwei weitere Arbeiten, in denen es bereits um konkrete Erkrankungen geht: „Während die genannten Arbeiten die Bedeutung spezieller Parameter im Augenkreislauf für eine mögliche Vorselektion und Früherkennung von Beschwerdebilden beschreiben, wollten wir auch auf ausgewählte Krankheiten konkret Bezug nehmen. Eine Langzeit-Follow-up Studie beschäftigt sich mit der leider relativ weit verbreiteten Schädigung der Netzhaut bei Diabetiker:innen. Die zweite Arbeit analysiert mögliche Parameter des Augenkreislaufes als Prädiktoren für Morbus Behçet, einer Autoimmunerkrankung des Gefäßsystems. Besonders spannend ist, dass hier Parameter der Augengefäße unter Umständen schon auffällig sein können, obwohl es noch zu keiner Krankheitsmanifestation im Auge selbst kommt. Die Beurteilung des der occulären Mikrozirkulation muss sich also nicht auf Beschwerdefelder im Auge selbst begrenzen, sondern kann ganzheitliche systemische Tendenzen abbilden“, resümiert der Professor.

Heitmar R, Link D, Kotliar K, Schmidl D, Klee S. Editorial: Functional assessments of the ocular circulation. Frontiers in Medicine. 2023 Jun 8;10. doi: 10.3389/fmed.2023.1222022