Freitag, 10. Februar 2023

Beate Schrank, Psychiaterin

Erwachsen werden ist (k)ein Kinderspiel

Am Universitätsklinikum Tulln, Lehr- und Forschungsstandort der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, wird mit dem in Österreich einzigartigen Forschungszentrum für Transitionspsychiatrie ein wichtiger Meilenstein im Versorgungssystem gelegt. Dr.in Beate Schrank, Psychiaterin, Oberärztin und Wissenschaftlerin, über neue Wege in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, spannende Forschungsansätze und warum Entwicklung heute neu definiert werden muss.

Erwachsen werden ist nicht immer leicht. In Zeiten vieler Krisen und einer sehr schnelllebigen Gesellschaft noch um einiges schwerer – besonders, wenn sich Herausforderungen so auf die Psyche auswirken, dass es therapeutischer und ärztlicher Hilfe bedarf. Viele Forschungsarbeiten und Statistiken beschäftigen sich mit den Auswirkungen schwieriger Lebensumstände und den daraus abgeleiteten Diagnosen wie dem Anstieg von Ängsten, Zwängen und Suizidversuchen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Was aber bedeutet dieser Umstand konkret für die Behandlung der Betroffenen sowie für die Therapie? Und wo gibt es Aufholbedarf und die Notwendigkeit neuer Methoden und Angebote? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Beate Schrank, Wissenschaftlerin und Oberärztin am Universitätsklinikum Tulln: „Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie orten wir ein Nachwuchsproblem der Fachbereiche in Abgrenzung zur Erwachsenenpsychiatrie. Erwachsen werden ist schwierig zu definieren, die Welt ist schneller geworden und erwartet mehr Flexibilität. Gerade für junge Menschen kann diese flexible Identität ohne vorgelebte Rollenmodelle zu Schwierigkeiten führen, die psychologisch relevant sind, aber noch wenig untersucht wurden.“ Flexibilität und Stabilität schließen einander zwar keinesfalls aus, so die Expertin, es fehlen jedoch gerade im diagnostischen und psychiatrischen Bereich neue Konzepte. „Was es braucht, ist Forschung, die unterschiedliche komplexe und gesellschaftliche Aspekte, aber auch psychologisches, biologisches, soziales und soziologisches Verständnis zusammenführt. Aus diesen Ergebnissen können dann Handlungsanleitungen entwickelt werden, die für die Therapie, aber auch für die Prävention psychischer Krankheiten von Nutzen sein können.“

Ganzheitlichen Ansatz verfolgen
Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist die Forschung im Bereich der Transitionspsychiatrie, einem relativ neuen Feld innerhalb der Psychiatrie. Sie fokussiert auf Menschen zwischen dem 15. und 25. bzw. bis maximal zum 30. Lebensjahr und versteht sich als gemeinsamer Bereich von Kinder‑/Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie, der Jugendlichen ein stabiles Setting bietet, um die Entwicklungsaufgaben des Erwachsenwerdens zu bewältigen. Im neuen Forschungszentrum für Transitionspsychiatrie in Tulln wird derzeit unter der Leitung von Beate Schrank gemeinsam mit Patient:innen, Angehörigen und psychosozialem Versorgungspersonal ein Konzept für eine klinische Einheit für Transitionspsychiatrie entwickelt: „Die Besonderheit des Forschungszentrums ist, dass wir einen Open Innovation-Ansatz verfolgen und Stakeholder, aber auch Klient:innen einbinden.“ Multimodale Forschung unter Einbindung der Zielgruppe war für die Ärztin schon immer spannend und auch relevant, um ein ganzheitliches Bild und sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte zu verbinden. „Ein wichtiger Meilenstein für meine berufliche Entwicklung war der Aufenthalt in England nach meinem Medizinstudium, wo ich Gesundheitswesenforschung mit dem Schwerpunkt Psychiatrie studiert habe. Dort habe ich einerseits den Fokus kennengelernt, Klient:innen einzubinden, mich aber auch sehr intensiv mit der Versorgung und dem Machtgefälle zwischen Ärzt:innen und Patient:innen beschäftigt. Für die Praxis konnte ich durch meinen Nebenjob im Mental Health Research Network viele Erfahrungen sammeln. Das hat mich sehr in meiner Rolle als Psychiaterin, in meinem Verständnis zur Beziehung zu den Klient:innen, aber auch in der Selbstreflexion geprägt.“

Neue Tools und Interventionen für die Zukunft
Zurück in Österreich nahm Beate Schrank die Chance wahr, sich durch eine Ausschreibung der Ludwig Boltzmann Gesellschaft gemeinsam mit anderen Forschenden einem ähnlichen Forschungsansatz zu widmen. „Im Rahmen des Projektes "D.O.T. – Die offene Tür" erarbeiteten wir gemeinsam an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) in den letzten vier Jahren zahlreiche innovative Maßnahmen zur Förderung wichtiger sozialer Kompetenzen bei Kindern, sowie zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen im Schulbereich. In einem partizipativen Prozess mit Vertreter:innen aus Schulen, Patient:innenorganisationen, Kliniken, Therapie- und Beratungszentren und dem Land Niederösterreich entstanden daraus digitale und interaktive Tools.“ Die Manuale, Module und Interventionen, etwa zur Emotionskontrolle oder zu unterschiedlichen Kommunikationsskills, die künftig im Forschungszentrum für Transitionspsychiatrie weiterentwickelt werden, sollen einerseits für den Klinikalltag auf der Psychiatrie wegweisend sein, aber auch Stakeholdern wie etwa Schulen oder Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stehen.

Link zum Forschungsportal KRIS

OÄ PD Dr. Beate Schrank MSc PhD

OÄ PD Dr. Beate Schrank MSc PhD

(in Karenz), Leitung
Forschungszentrum Transitionspsychiatrie, Klinische Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin (Universitätsklinikum Tulln)

wissenschaftliche Arbeitsgruppe